Nach der großen Flut

Schäden und Lichtblicke an Agger und Sülz

Luftaufnahme des Hochwassers in Overath Hammermühle - Quelle: Feuerwehr Overath
Quelle: Feuerwehr Overath

Es geht mir wie Ihnen allen, liebe Leserinnen und Leser: Die apokalyptischen Bilder aus dem Ahrtal, aus Erftstadt, Bad Münstereifel, Hagen und vielen anderen extrem vom Hochwasser betroffenen Städten und Regionen West- und Süddeutschlands haben mich tief erschüttert. Schreckliche Bilder und tägliche Katastrophenmeldungen aus aller Welt sehen wir häufig, aber wenn es in der engeren Heimat nach einem Starkregenereignis aussieht wie im Krieg, wird es einem doch anders. Dann sind wir alle betroffen, denn im Wiederholungsfall kann es jeden von uns heimsuchen.

Eigentlich wollte ich gar nicht vorrangig über die Schadenslage bei uns vor Ort schreiben. Aber wenn wir aus den Ereignissen lernen wollen, dann muss unsere Analyse sowohl global als auch regional und lokal ansetzen. Neben dem Overather Sülztal hat es auch andere in unserem Kreisgebiet schlimm erwischt, Hoffnungsthal und Rösrath zum Beispiel, aber auch Leichlingen an der Wupper.

Die Meteorologen haben uns hinreichend erklärt, wie die Extremwetterlage in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli zustande gekommen ist: verminderte Jet-Streams infolge der zunehmenden Erderwärmung, dadurch stagnierende Wetterlagen mit extrem wasserbeladenen Tiefs, die dann stationär komplett abregnen und in unserem Fall auf wassergesättigte Oberböden treffen, die nichts mehr aufnehmen können. Der Klimawandel wird uns vermutlich in zunehmendem Maße solchen Extremwetterlagen, mit Stürmen, Dürreperioden wie auch Starkregenereignissen, aussetzen. Dabei kann es punktuell zu extremen Niederschlagsmengen kommen, und gleich nebenan zu deutlich weniger.

Bei uns war das diesmal so: Im Einzugsgebiet des Sülztales sind während des Unwetters über 160 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen, im Aggertal lediglich 115, in Much sogar nur 90 Liter. Allein das erklärt schon, warum zwischen Obersteeg und Unterauel Landunter herrschte, während Overath und Marialinden nur vergleichsweise geringfügige Überschwemmungen zu verzeichnen hatten. Hinzu kommen lokale Besonderheiten: In Immekeppel sind es vor allem der Volbach und der Krebsbach, in Untereschbach und Steinenbrück Eschbach, Holzbach und Dresbach, die mit ihren großen Einzugsgebieten in kürzester Zeit für erhebliche Wasserzuflüsse sorgen und auf eine hoch gehende Sülz treffen, die in ihrem Oberlauf anders als die Agger weder Talsperre noch Staustufen aufweist.

Überall da, wo den Flüssen und Bächen durch Bebauung, Anschüttungen oder Dämme Retentionsmöglichkeiten genommen werden, waren die Anwohner die Leidtragenden. Das Wasser stand nicht nur in den Kellern, sondern vereinzelt bis zur Oberkante des Küchentisches oder des Autodaches.

In Vilkerath war es einmal mehr der Kaltenbach, dessen zu gering dimensionierte Verrohrung unter der Bebauung Kölner Straße die Wassermassen nicht fassen konnte und der deshalb zum wiederholten Male für eine Überschwemmung in der Dorfmitte sorgte. Aber auch kleinere Gewässer, die bisher nie auffällig waren, wie z. B. der Rittberger Bach entlang der Mucher Straße, waren diesmal Verursacher von Überschwemmungen in Wohn- und Gewerbegebieten. Im Sülztal lag die Hochwassermarke jenseits der errechneten Höhe des sogenannten Hundertjährigen Hochwassers. Der Pegel war nicht mehr ablesbar.

Positiv ausgewirkt haben sich seit 2012 diverse Baumaßnahmen der Stadt an Problemgewässern, wie z. B. am Haus Thaler-Bach in Immekeppel, am Katzbach in Overath oder im Oberlauf des Dresbaches in Steinenbrück. Es zeigt, dass weitere Anstrengungen an den neuralgischen Gewässerstellen durchaus zielführend sein können.

Die Schäden an der kommunalen Infrastruktur halten sich gottlob in Grenzen. Es sind nur ganz geringfügige Straßenschäden zu verzeichnen, alle Brücken blieben intakt. Zwei Sporthallen (Cyriax und Untereschbach), drei Feuerwehrgebäude (Immekeppel, Steinenbrück und das Feuerschutztechnische Zentrum), das Untergeschoss der Migrantenunterkunft am Schulzentrum, das Stadtarchiv, zwei Sportplätze (Rot-Weiß-Eulenthal und TUS Untereschbach) sowie diverse Kinderspielplätze hat es getroffen. Insgesamt sind 15 Gewässer im Stadtgebiet über die Ufer getreten. Problemzonen waren auch die flussnahen Campingplätze.

Wesentlich höher liegen die privaten Schäden. Die Feuerwehren der Stadt Overath waren von Mittwochmittag bis Freitagabend bei über 300 Einsätzen pausenlos im Einsatz. Unterstützung erhielten sie dankenswerterweise von den Wehren aus Reichshof und Bergneustadt. Neben der Gefahrenabwehr und der Rettung bedrohter Personen waren zumeist Keller und tieferliegende Wohnhäuser und Grundstücke leer zu pumpen. Hierbei waren auch unsere Landwirte und Overather Firmen im Einsatz. Der über zwei Tage andauernde Stromausfall im Sülztal ließ den Einsatz der vielen privaten Elektropumpen nicht zu.

Die Summe der privaten Schäden wird allein in unserer Stadt in die Millionen gehen. In vielen Fällen fehlt eine Elementarversicherung. Mit der NRW-Soforthilfe, die bereits eine Woche nach dem Hochwasser beantragt werden konnte, hat die Landesregierung über die Stadt den Betroffenen eine erste Überbrückung für das Nötigste ausgezahlt. Die ortsnahen Banken und Sparkassen bieten in Notfällen zinslose Wiederaufbaukredite an. Klar ist aber schon jetzt: der Wiederaufbau wird in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mehr Milliarden verschlingen als das Elbe-Hochwasser 2013.

Zuerst geht es um die Aufräumarbeiten, die Entsorgung der riesigen Müllmengen, dann die Beseitigung der Schäden an Gebäuden und Inventar. Die Herstellung der Fluss- und Bachläufe wird uns noch Monate, wahrscheinlich aber Jahre lang beschäftigen. Dabei müssen wir aus den Erfahrungen lernen und die neuralgischen Stellen an das veränderte Klima anpassen.

Wir Bürgerinnen und Bürger haben allen Grund, denjenigen Dank und hohes Lob auszusprechen, die bei den Feuerwehren, der Polizei, den Versorgungsunternehmen, beim Bauhof, der DLRG, dem DRK, den übrigen Hilfsorganisationen und in den Verwaltungen während der Flut unermüdlich im Einsatz waren. Wie sehr die Menschen auf der persönlichen Ebene zusammenrücken, zeigen die nachbarschaftliche Solidarität und riesige Hilfsbereitschaft. Allen freiwilligen Helfern, die Zeit und Ressourcen geopfert haben, um ihren in Not geratenen Nachbarn uneigennützig beizustehen oder mit Material unter die Arme zu greifen, gebühren Dankbarkeit und Anerkennung.

Bürgermeister Christoph Nicodemus hat eine detaillierte Analyse der Geschehnisse während der Flutkatastrophe im Stadtgebiet öffentlich zugesagt. Niederschläge, Gewässerentwicklungen, Hochwasserstände, aber auch die internen Abläufe und die Kooperation mit dem Kreis, dem Aggerverband, der AggerEnergie und den Hilfsorganisationen - alles soll auf den Prüfstand. Nur so können wir aus der Katastrophe lernen. Ich bin sicher, überall im Land werden die Hochwasserrisikomanagementpläne, Einsatzpläne und Bauleitplanungen angepasst werden. Dabei dürfte klar sein: vieles werden wir verändern. Der Klimawandel lässt uns keine andere Wahl.

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